Zum Rundgang findet sich eine bunte Mischung an Interessierten im Cultibo ein: Leute aus dem Quartier, einzelne von Starrkirch, von der anderen Stadtseite, von Trimbach oder gar von weiter weg. Ein Paar - er aus Solothurn, sie aus Luzern - planen, allenfalls demnächst nach Olten zu ziehen.

 

 

Nach kurzer Einführung im Cultibo mit dem Hinweis auf "New Urban History" und "Stadt lesen statt lesen" stehen wir alle auf dem Vorplatz und sehen weiter oben die imposante ev.-ref. Friedenskirche, erbaut 1928/1929, die auf uns herabschaut. Damals war hinter der Kirche das weite Feld, daran erinnert heute noch die Feldstrasse. Wenn wir uns umdrehen, sehen wir in der anderen Richtung das kürzlich renovierte Hotel Oltnerhof, ebenfalls in den 20er Jahren erbaut. Neben uns braust der Verkehr von unten, von der Bahnunterführung her, um die leichte Kurve Richtung Aarau: die Aarauerstrasse. Doch nein, Aarauerstrasse heisst die Verkehrsachse erst ab Bifangplatz. Ursprünglich war der Verkehr von der anderen Stadtseite her über einen Bahnübergang und über die heute baumbestückte "alte Aarauerstrasse" Richtung Aarau geführt. Als die Bahnlinien verbreitert wurden und der Zugsverkehr zunahm, musste der Strassenverkehr verschoben werden.

Wir gehen weiter und bleiben bei der Trottermatte wieder stehen. Auf der anderen Strassenseite ein riesiger Parkplatz und eine grüne Wiese. Hier stand bis vor ein paar Jahren die schöne Villa des Chiropraktikers, eine Villa der Firma Nussbaum. Gemeinsam tragen wir unser Wissen über Firmen der Oltener Industrie zusammen, die hier seit der Mitte des 19. Jahrhunderts und in Zusammenhang mit den neuen Transportwegen, der Eisenbahn, gegründet wurden: Berna, Giroud-Olma, Giesserei von Roll, Seifenfabrik Sunlight, Nago (heute Lindt & Sprüngli), Schuhfabrik Strub, Glutz & Cie. Herr Strub arbeitete ursprünglich bei Bally in Schönenwerd und hat sich dann, wie einige seiner Kollegen, selbständig gemacht. Mit seiner Schuhfabrik, an dessen Namen wir uns kaum erinnern, hat er gut verdient und hat sich für die katholische Gemeinde und die Kirche St. Martin Verdienst gemacht. Die Spitzen der Martinskirche können wir im Hintergrund, hinter vielen neuen Gebäuden, knapp erkennen. Nach dem Einzug der vielen evangelisch-reformierten Neuzuzüger aus Basel, Zürich und Bern, die sich mehrheitlich auf der rechten Stadtseite ansiedelten, war es wichtig, die ursprüngliche schwarze (katholische) Gemeinde wieder zu festigen und das nicht nur aus religiösen Gründen, sondern vor allem politisch. Gibt es nicht auch heute vergleichbare Tendenzen, diesmal in einer globalisierten Welt?

Vor der Industrialisierung war Olten eine kleine Stadt mit Stadtrecht, die nur wenig ausserhalb der Stadtmauern bebaut war und die Leute eng beieinander hausten: 23'000 Menschen auf kaum mehr als einen Quadratkilometer. Heute zählt Olten ca. 18'000 Einwohner. Das sind nur noch etwa 3'000 Personen pro Quadratkilometer.

Richtung Engelberg gehen wir der Martin Disteli Strasse entlang und erinnern uns an die "bösen Buben" und Oppositionellen von damals, von denen Martin Disteli als Maler und Karikaturist der wohl Bekannteste ist. Wir kommen vorbei an den vielen schönen Villen der damaligen Industriellen. Kurz vor dem Käppeli ein letzter Halt. Kapellen entlang der Wege und besonders an Wegkreuzen waren damals häufig, schliesslich waren die Reisenden auf Unterstützung angewiesen, auf die Hilfe Gottes auf dem beschwerlichen, oft steinigen Weg, Hilfe vor Überfällen und vielem mehr. Wir befinden uns mittlerweile geschichtlich weit zurück bei den vielen Unruhen des dreissigjährigen Krieges im 17. Jh., bei denen die Eidgenössischen weitgehen verschont blieben, viele arme Söldner aus fremden Diensten reich belohnt heimkehrten und die lokale Landwirtschaft florierte. Von jenen Zeiten und dem danach folgenden Bauernkrieg mit dem Olten sein Stadtrecht verlor, zeugt noch heute der behäbige Bau des Restaurant Wilerhof von 1639 weiter oben an der Dullikerstrasse in Starrkirch und die Malerei beim "Chöbu" (Restaurant Rathskeller) am Klosterplatz auf der linken Stadtseite in Olten.

Reich belohnt kehren wir zurück ins Cultibo, wo beim Apéro in vielen kleinen Grüppchen angeregt weiter diskutiert wird.

31.05.15, KH

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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